1980er

Sommersonne, Berlin 1980

Der Hof ist betoniert,
kein Mensch zu seh’n,
kein Baum, kein Strauch,
kein Grashalm tut sich auf,

da gibt es nichts, was da nicht
hingehört (einschließlich
mich?!) / die kleine Mauer,
über hundert Jahre alt,

voll Zeit, trennt Hof vom
Hof. Der Putz fällt ab
und Steine liegen
blank, warm von der

Sommersonne, rot.
Ich spür mich nicht
in diesem Bild …, ich
weiß nicht, wer ich bin und

was ich will – was ist passiert
mit mir … jetzt … hier? Ich
weiß es nicht … sag’s mir! /
Ich hör dir zu! Ich höre nichts …,

gar nichts! Es ruht der Augenblick,
da zeigt sich nichts, was
zu mir spricht // die
Dinge sind bei sich.

Denk dir den Himmel

Denk dir den Himmel
als Haut. Denk dir den
Himmel ganz nah. Denk
dir den Himmel ohne

Tränen. Denk dir den
Himmel als Ding. Denk
dir den Himmel ganz
fein. Denk dir den Himmel

erbarmungslos schön.
Denk dir den Himmel
als Bild. Denk dir den
Himmel wie Lust. Denk

dir den Himmel als
Muskel, prall. Denk
dir den Himmel stilisiert.
Denk dir den Himmel als

Traum. Denk dir den Himmel
als Zeit, aus der Zeit.
Denk dir den Himmel
als Geist. Denk dir den

Himmel als Schmerz, der
alles versteht. Denk dir
den Himmel als Körper,
der aus dem Körper geht.

1982

Erbarmungslos

Denk an
erbarmungslose
Schönheit.
Denke sie!

Denke sie
jetzt. Denk
sie als Spiel.
Denken ist nur

ein Spiel. Das
Denken weiß
davon nichts,
dem Denker

ist das bewusst.
Das Denken ist
die höchste
Oberfläche,

die es gibt.
Alles andere
ist tief. Du bist
tief! Was denkt,

bist du nicht /.
Denke, weil es
das Denken gibt,
denk es als Spiel.

Denke an alles,
was spielt, was
es sonst nicht
gibt … // sei dir

bewusst,
dass das, was
denkt (…), eine
Fata Morgana ist.

1982


JETZT und JA

Komm! Und bleib!
Bleib da, setz dich,
frag nicht, was war,
du bist da, zeig mir

das Spiel, das offen
ist, zeig mir den
Moment, mehr
nicht, die Kunst,

die in der Liebe ist,
mehr nicht, mehr
gibt es nicht, komm,
bleib! Bleib da, setz

dich, frag nicht,
was war, die Antwort
gibt es nicht; es gibt
nur JETZT und JA!

1980er Jahre

Nietzsche

Oft schrieb er nachts bis 4 Uhr
Briefe, auch am Tage schrieb er …
Liebe! Er musste es tun, zu stark
war die Sehnsucht in ihm. Erhört

wurde er nicht. Lou hat den Freund
genommen, leidenschaftsloser, galant,
einfach den einen, der besser im
Leben stand; so wollte es das

Schicksal. Er nahm es an. Er war,
wie er war, aus der Zeit gefallen,
ein starker Geist, ein sinnlicher Körper,
wahrhaftig, korrekt …, zu viel für ihn.

Und so wusste er immer, was er verlor,
seine Sehnsucht nach Liebe war tiefer
als je zuvor. Einer wie er dreht sich
nicht um, Schicksal und Mut schau’n

niemals zurück. Fiktive Fragmente …,
nicht mehr an Lou, nur an sich selbst,
an kein anderes DU; die Bejahung des
Nichts ist der tiefste Grund. Das Nichts

ist nicht Nichts, das wusste er. Im Nichts
fand er sich (lauscht seiner Schwester
und lacht / nur Liebe! / jetzt), kein
Schmerz im Nichts, wo das Leben ist.

um 1980